Deutschland für
Gastschüler das
Land der Freiheit
Jinshi Lu kommt aus Shanghai in China. Alejandro Leos Heimat ist Monterrey, Mexiko.
Böhme-Zeitung vom 23.06.2012
tip Soltau. Die beiden 17-Jährigen Jinshi Lu aus Shanghai in China und Alejandro Leos aus Monterrey in Mexiko waren als Austauschschüler die vergangene Monate zu Besuch am Gymnasium in Soltau. Nächsten Monat treten sie die Heimreise an. Zeit, einmal nachzufragen , wie es ihnen in Stadt und Schule gefallen hat. Bevor sie nach Deutschland kamen, beherrschten sie die deutsche Sprache nur wenig. Alejandro hatte zwar vor Abreise schon ein Jahr deutsch gelernt, aber nicht gut. Deswegenhabe er die ersten Monate zusätzlich einen Intensivkurs besucht. Am Anfang sei es trotzdem schwer für ihn gewesen: Manchmal verstehst du gar nichts, das nervt.. Für Jinshi war es noch schwerer, sie begann fast bei Null. Damit sie dennoch im Unterricht mithalten konnte, bereitete sie sich auf die Stunden gewissenhaft vor: Ich lerne die passenden Vokabeln vorher, damit ich dann besser verstehe. Mittlerweile , so sagen beide, klappe es ganz gut.
Für Jinshi ist momentan jeden Tag Urlaub. Sie ist nach einem Zwischenstopp in Dresden seit Februar in Soltau und freut sich über viel mehr Freizeit, als sie es von Zuhause kennt: In China ist das Schulsystem sehr, sehr streng, sagt sie: Da haben wir von morgens um 7 bis abends 5 oder 6 Uhr Schule. Und dann machen wir meistens noch vier Stunden Hausaufgaben. Sie findet es gut, dass am Soltauer Gymnasium im Unterricht mehr diskutiert wird, dass ein Austausch stattfindet. Auch für Alejandro war einiges neu, zum Beispiel das Notensystem: In Mexiko gehen die Noten von 0 bis 100 und hier von 1 bis 6. Außerdem werden auf der Privatschule, auf die er Zuhause geht, bis auf Spanisch und Geschichte alle Fächer auf Englisch unterrichtet.
Neue Geschwister
In Soltau wohnen die beiden Schüler bei Gastfamilien, die sie über die weltweit agierende Austauschorganisation Youth for Understanding gefunden haben. Sie haben Gastgeschwister, mit denen sie sich gut verstehen und mit denen sie auch ihreFreizeit teilen - X-Box spielen oder zum Tischtennis-Club gehen. Für Jinshi ein völlig neues Familienerlebnis: In China ist fast jeder Einzelkind. Und da gibt es auch nicht so viel Familienaktivität. Hier isst die Familie zusammen oder schaut gemeinsam Fernsehen, erklärt sie: Das ist ein ganz anderes Leben. Von der Weltstadt Shanghai in die Kleinstadt im Heidekreis - für Jinshi ungewohnt. Der Bus kommt einmal in der Stunde, am Wochenende gar nicht. Wenn ich irgendwo hin möchte , dann muss ich immer meine Gasteltern fragen, beschreibt sie, aber dafür ist die Landschaft sehr schön.
Und auch für Alejandro war der Umzug nach Soltau aus der Vier-Millionen-Stadt Monterrey eine völlig neue Erfahrung. Für ihn ist Deutschland vor allem ein Land der Freiheit. In seiner Heimatstadt wäre es viel gefährlicher, in Mexiko gebe es die Mafia. Hier kannst du alles machen, sagt der Zehntklässler und erklärt, dass dies ein Grund war, warum er sich für das Austauschjahr entschloss: Andere Länder sehen, heißt für mich, auch einen anderen Blick auf die Welt zu bekommen. In den vergangenen Monaten sind die Beiden viel gereist. Sie waren auf Studienfahrten in Tschechien und Paris, haben die deutschen Großstädte besucht. Jetzt, so drückt es Alejandro aus, ist es Zeit zu gehen. Sie freuen sich auf Familie und Freunde, ihre gewohnte Umgebung.
Im nächsten Jahr machen sie ihren Abschluss, dann möchte Jinshi vielleicht studieren: nichts naturwissenschaftliches, etwas mit Kunst vielleicht, und Alejandro, der möchte etwas mit Grafik machen. Ob das in Mexiko oder den Vereinigten Staatensein wird, das muss er dann neu entscheiden - er hat die doppelte Staatsbürgerschaft. Bis sie in zweiWochen in ihre Flugzeuge gen Heimat steigen, heißt es aber erstmal Gastgeschenke kaufen, Abschiedspartys organisieren und für Alejandro:Ab zum Hurricane Festival.