Peter Köster erklärt den Umbau des Gehirns in der Pubertät
Noch waren manche Gesichter zweifelnd und kritisch. Doch Minuten später hatte Peter Köster alle Zuhörerinnen und Zuhöhrer davon überzeugt, wie das Gehirn sich vom Kleinkind bis zum Erwachsenen entwickelt und die Jugendlichen in der Pubertät so sein müssen, wie sie sind. Foto: hh
Böhme-Zeitung vom 08.02.2014
hh Soltau. Peter Köster brauchte nur vier Bilderpaare, einen Korb voll Konfekttüte und einige humorvolle und überraschende Aussagen, um die Lehrer, Erziehungsberechtigten und Interessierten in der zu gut zwei Dritteln besetzten Aula des Gymnasiums über die Entwicklungen der Jugendlichen in der Pubertät aufzuklären. „Entspannen Sie sich. Nichts mitschreiben“, und „Ich erzähle es Ihnen häppchenweise“, stimmte er das Publikum darauf ein, die Hirnfunktion vom Kleinkind bis zum jungen Erwachsenen zu begreifen. So wie manches Lachen zwischendrin und der abschließende Beifall deutlich machten, ist ihm das gelungen.
Von den vier Bildpaaren standen Walnuss und Mandeln für Teile des Gehirns, die grauen und die weißen Flächen für die grauen Gehirnzellen und die weißen Zellen der Vernetzung. Seepferdchen und Fisch waren für die Verarbeitung der Informationen zuständig und Trampelpfad und Autobahn für die Menge der sich vernetzenden Daten. Damit erklärte der Studiendirektor für Biologie, Erdkunde und Physik am Einhard-Gymnasium in Aachen anschaulich den Aufbau des Gehirns und dessen Veränderung vom Embryo-Stadium bis zum Erwachsenen. Durchschnittlich wiegt das Gehirn des Menschen 1400 Gramm. „Das sind zwei Prozent des durchschnittlichen Körpergewichts“, stellte Köster heraus. Doch die zwei Prozent würden 20 Prozent der Energie verbrauchen. Das vor allem nachts, wenn die Eindrücke des Tages während des Schlafs verarbeitet und gespeichert würden.
Der Hauptseminarleiter am Studienseminar Köln erläuterte, wie der neun Wochen alte Embryo 100 000 Hirnzellen pro Minute aufbaut, beim erwachsenen Menschen „1000 Milliarden“ graue Gehirnzellen und „100 000 Milliarden“ weiße Gehirnzellen zu einem Netzwerk verwachsen, in dem eine Stammzelle Kontakt mit 15 000 anderen aufnimmt. Er erklärte, warum das Gehirn von Mädchen zu Anfangszeiten der Handys in einer bestimmten Region besonders stark anwuchs und der Mensch nur das lernt, was er als notwendig, wichtig und interessant erkennt. „Lernen ist hochgradig individuell“, sagte er. Die größte Leistung des Gehirns sei, die Daten zu beurteilen und den „Müll“ zu vergessen.
Lob ist besser als Vorwürfe
Angst und Ärger reduziere die Lernfähigkeit enorm, machte Köster deutlich. Denn das scheue Seepferdchen, das für die Verarbeitung und Speicherung des Erlernten zuständig sei, brauche Ruhe und Entspannung. Statt Kindern Fehler vorzuwerfen, sei es besser zu sagen, was sie richtig gemacht haben. „Und den Rest bekommen wir auch noch hin.“ Denn: „Jedes Kind kann etwas.“
„In der Pubertät ist das Gehirn im Umbau“, trug Köster vor. Das Großhirn als Handwerkskasten voller Werkzeug wolle arbeiten, aber der Stirnbereich als Meister sei in Urlaub. „Aber er kommt wieder“, tröstete er die Lehrer und Eltern. Das sei aber die einzig gute Botschaft. Die schlechte sei, dass die Pubertät bis ins 21. Lebensjahr dauere. So lange brauche das Gehirn, die einen Zellen ab- sowie die anderen aufzubauen und auszureifen. Dadurch seien bei den Jugendlichen der dehnbare Begriff von „sofort“, die impulsorientierten Entscheidungen und die Verzögerung beim Erkennen von Gefühlen anderer zu erklären.
In dieses Chaos wirken dann noch die Hormone, stellte Köster heraus. „Mit Eimern ausgeschüttet“, ergäben sie einen brisanten Cocktail, der zu schnell wechselnden Stimmungen, eingeschränkter Lernfähigkeit und verzögertem Schlafbedürfnis führe. „Keine Fragen stellen“, riet er den Zuhörern. Aus Erziehung müsse Beziehung werden. Wenn aus den Raupen dann Schmetterlinge entstanden seien, könne von Mensch zu Mensch in Augenhöhe der Kontakt wieder hergestellt werden.
„Lassen sie nicht die Nervensägen ihre Nerven sägen“, gab er dem dankbaren Publikum mit auf den Weg.
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